Meldung vom 19.07.2020

Da steht ein Pferd im Wald

Wie beim Holzfällen der Boden geschont werden kann

Sichtbar entspannt lässt sich Edda gefallen, dass Hartmut Bischoff sie mit einem Mittel einsprüht, welches Mücken und Bremsen fernhalten soll, davon gibt es im Wald schließlich genug.
Edda ist ein Pferd der Rasse Schwarzwälder Füchse. Sie ist 12 Jahre alt und "kein Tier zum Kuscheln", so Bischoff, "sondern ein Arbeitspferd".
Hartmut Bischoff (68) aus Franzburg ist Rentner und der einzige Pferderücker für alle drei Altkreise rund um Stralsund. In ganz Mecklenburg-Vorpommern gäbe es nur insgesamt fünf, die diese sehr seltene, spannende und zugleich bodenschonende Arbeit professionell beherrschen. Und "man muss es wollen".

Das feine Pilzgeflecht bleibt erhalten
Dass Bischoff sein Handwerk bestens beherrscht, stellt er unmittelbar nach dem Einsprühen von Edda unter Beweis. Bevor das etwa 1,60 Meter hohe Arbeitstier und der Pferderücker im Unterholz verschwinden, gibt es mit Thomas Struwe eine Kurzbesprechung. Der Mitarbeiter der Stadtverwaltung ist unter anderem zuständig für den ca. 64 Hektar großen Stadtwald am Moorteich. Der Wald wird aktuell von umgestürzten und gefällten Bäumen beräumt, teilweise mit einer Arbeitsmaschine und eben mit dem Pferd. Beide Fachmänner besprechen, an welchen Stellen Baumstämme herausgezogen werden sollen.
Struwe erklärt dazu: "Es gibt keine bodenschonendere Methode als die des Pferderückens, um die schweren Stämme aus dem Wald zum Weg zu transportieren. Eine Bodenverdichtung findet nur punktuell statt, ein schweres Fahrzeug würde tiefe Rillen in den Boden drücken und das feine Wurzel- und Pilzgeflecht, über das die Bäume miteinander verbunden sind, langfristig stören." Einige Stämme verbleiben dabei als Biotopholz bewusst im Wald und werden nicht gerückt.

Edda hört auf's Wort
"Links!", "Rechts!", "Stopp!" hallt es durch den Wald. Das imposante Arbeitstier hört auf jedes Wort. Unmittelbar! Bis das tadellos klappte, dauerte das Training dafür übrigens etwa fünf Jahre, so der Franzburger.
Neben einem dicken Baumstamm stoppt das Pferd, der Pferderücker legt eine Kette um den Stamm und gibt Kommandos. Nur wenig später liegt der Stamm direkt am Wegesrand zur Abholung bereit. Das Ganze wiederholt sich mehrere Male, bis eine erste Pause eingelegt wird.
Dabei sind Struwe, Bischoff und Edda aber nicht allein. Radfahrer, Läufer und Wanderer schauen beim Vorbeifahren und -gehen interessiert zu. Sie bleiben stehen und staunen, wie eine Pferdestärke die dicken und großen Stämme aus dem Unterholz zieht.

Was noch im Stadtwald gerade passiert
Weitere aktuelle Arbeiten rund um den Stadtwald haben ihren Schwerpunkt in den alten Spülfeldern: Wege werden ertüchtigt und freigelegt, die Attraktivität für die Bürger verbessert, Durchlässe werden erneuert, Blühflächen angelegt sowie Jungbestände an Bäumen, Gräben und Lichtungen gepflegt. Auch der ehemalige Wasserfall bekommt in den kommenden Wochen eine "Frischekur", wenn auch kein Wasser mehr fließen wird.
"Die Spülfelder brauchen in den kommenden Jahren viel Pflege, denn die Bäume stehen dort durch die schwierigen Bodenverhältnisse sehr kippelig. Es werden auch Bäume gefällt, Lücken werden mit Laubwald aufgeforstet", gibt Thomas Struwe einen Ausblick in die nähere Zukunft.

INFO Stadtwald

  • 1899 Beschluss zur Anlage eines Stadtwaldes am westlichen Ausläufer des Stadtteiches als Ausflugs- und Erholungsort für die Stralsunder in einer waldfreien Landschaft, bis dahin Wiesen und Weiden
  • erst 50 ha, später bis zu 73 ha, heute etwa 64 ha
  • Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes ab 1940, gleichzeitig Durchforstungsarbeiten
  • 1959 Anlage des Tierparks, heute Zoo, auf 15 ha innerhalb des Stadtwaldes
  • ab 1971 großflächige Rodungen zur Anlage von Spülfeldern für die Aufnahme von Schlick aus den Stadtteichen
  • ab 1979 bis heute schrittweise Wiederaufforstung der Spülfelder
  • 1987 Ausweisung eines Flächennaturdenkmals durch den Rat der Stadt, neuer "Urwald" entsteht (ca. 9 ha)
  • 1988 Aufnahme des Stadtwaldes und des Moorteiches in die Denkmalliste der Stadt
  • seit 2003 bis heute anhaltendes Eschensterben, notwendige Fällarbeiten u.a. 2011 und 2019
  • 2004 bis 2008 Erneuerung des Moorteichrundweges (4.130 m)
  • 2016 Entschlammung der Gräben
  • 1940,1985, 1996, 2006, 2013 und ab 2020 Waldpflege- und Durchforstungsarbeiten